Beckenboden aktiv – Wie Pilates dabei helfen kann

DAVINA WEBER, seit Ende 2019 Physiotherapeutin im Rückenzentrum Am Michel und „Polestar“-zertifizierte Trainerin für Pilates auf der Matte, mit den Zusätzen Pre- und Postnatalpilates, möchte mit diesem Beitrag Ihre Aufmerksamkeit einmal bewusst auf den Beckenboden lenken.

Eine Frage vorweg: Können Sie Ihren Beckenboden bewusst an- UND entspannen?

Warum das so wichtig und sinnvoll ist, erklärt der folgende Beitrag.

Die anatomische Grundlage:

Der Beckenboden ist ein Muskel im unteren Teil des Beckens und besteht aus 3 Schichten. Diese arbeiten dauerhaft funktionell zusammen. Spannen wir den Beckenboden an, zieht er sich zusammen und hebt sich etwas nach oben, bei Entspannung sinkt er wieder ab, wobei immer eine Grundspannung erhalten bleibt.

Bemerkenswert: Zwischen bewusster An- und Entspannung kann eine Höhendifferenz von ca. 2cm liegen.

Auch während der Atmung hebt und senkt sich der Beckenboden parallel mit unserem Atemmuskel, dem Zwerchfell.

Die Funktion des Beckenbodens:

Der Beckenboden dient der Stabilisation des Lenden-Becken-Hüft-Bereichs und ist somit u.a. auch für die aufrechte Körperhaltung wichtig. Funktionell macht er keine große Bewegung, aktiviert sich aber bei vielen Bewegungen (z. B. im Gang) mit.

Auch die Entspannung ist eine Aufgabe des Beckenbodens, beispielsweise bei der Ausscheidung oder während des Geburtsvorganges.

Eine Funktionsstörung des Beckenboden kann viele verschiedene Gründe haben. Sie kann sich z. B. durch den Geburtsvorgang oder das Toilettengang-Verhalten entwickeln und dann durch Inkontinenzprobleme (z. B. Belastungsinkontinenz) äußern.

Der weibliche und männliche Beckenboden

Die Fähigkeit, ein Kind auszutragen, erfordert im Vergleich zum Mann einen elastischeren  Beckenboden und führt daher bei Frauen leichter und früher zu Problemen.

Trotzdem gilt für beide Geschlechter, dass bei Rückenschmerzen sowie Beschwerden im Bereich des Beckens oftmals Fehlfunktionen mit verantwortlich sind und sich u. a. durch ein geeignetes funktionelles Beckenbodentraining verbessern lassen.

Die funktionelle Ansteuerung des Beckenbodens erfolgt
in 2 Schritten:
  • Schritt 1
    Selektives Ansteuern

Bei einer selektiven Aktivierung des Beckenbodens wird die Gesäßmuskulatur nicht angespannt. Als äußerer Betrachter sollte man keine große Bewegung sehen können.

ÜBUNG: Zur bewussten Ansteuerung legen Sie sich mit aufgestellten Beinen in Rückenlage auf den Boden.

Atmen Sie ruhig und lange ein und aus und versuchen Sie dabei, eine Bewegung im Becken zu spüren.

Anschließend versuchen Sie nun, die natürliche Bewegung sanft zu verstärken und so über die Ausatmung eine bewusste Anspannung und über die Einatmung eine bewusste Entspannung zu erzielen.

Wenn die Ansteuerung gelingt, können Sie versuchen, die leichte Anspannung für 2-3 Atemzüge zu halten.

Gelingt es Ihnen, selektiv den Beckenboden anzusteuern, schaffen Sie eine perfekte Grundlage für eine gute Haltung und einen stabilen Stand. Auch ihrem Rücken wird dies guttun.

  • Schritt 2
    Üben und intensivieren mit Hilfe von Pilates

Pilates ist ein ruhiges und kraftvolles Training des gesamten Körpers, wobei ein besonderer Fokus auf der Stabilisation der Körpermitte und einer fließenden Atmung liegt. Durch die kontrolliert ausgeführten Übungen ist Pilates eine gute Möglichkeit, den eigenen Körper besser wahrnehmen und stabilisieren zu lernen.

Da der Beckenboden seinen Teil zur Rumpfstabilisation beiträgt, kann er in viele Übungen aus dem Pilates integriert werden.

Die Atmung spielt im Zusammenspiel mit dem Training ebenfalls eine wichtige Rolle. Denn eine an die Bewegung angepasste Atmung, sowie ein stetig aufrechterhaltener Atemfluss, sind Teil jeder Pilates-Übung.

7 Übungen zur Stabilisation und Entspannung des Beckenbodens:

Nachfolgend stellen wir Ihnen 7 Übungen vor, die Ihnen helfen können, den Beckenboden funktionell zu trainieren.

  • Mobilisation mit Nr. 1 und 2 zur Entspannungsförderung
  • Gezielte Wahrnehmung der Stabilisation mit Nr. 3
  • Intensivierte Stabilisation mit Nr. 4-7
! Wichtig: Es gibt nicht DIE eine Übung, die den Beckenboden richtig aktiviert. Bei allen Übungen muss eine selektive Ansteuerung s.o. zuvor geübt werden, um den Beckenboden optimal ansteuern und in funktionelle Übungen integrieren zu können. !

Kleiner Hinweis: Klicken Sie auf die folgenden Fotos und schauen Sie, was passiert! 🙂

  1. Mobilisation im Z-Sitz

Start: Beide Beine sind 90° angewinkelt, wobei ein Bein vor, das andere neben dem Körper abgelegt ist.

Es wird nun versucht beide Sitzbeinhöcker am Boden zu fixieren

Ausführung: Der Sitzbeinhöcker der Seite des hinteren Beines, wird nun bewusst (mit der Einatmung) vom Boden gelöst und anschließend wieder in die fixierte Startposition zurückgebracht (während der Ausatmung). Der Sitzbeinhöcker des vorderen Beines bleibt durchgehend fixiert und der Oberkörper während der gesamten Übung möglichst aufrecht.

  1. Seated Hip Mobilisation

Start: in sitzender Position, Füße stehen vor dem Körper schulterbreit auf, die Arme stützen hinten dem Körper

Ausführung:  Beide Beine kontrolliert von einer zur anderen Seite schaukeln, der Fokus liegt jeweils auf dem nach Innen kippenden Bein. Versuchen Sie die Bewegung von Mal zu Mal größer werden zu lassen, ohne dass der Oberkörper mitgeht.

  1. Knee Opening Basic

Start: Rückenlage, Füße hüftschmal aufgestellt, Wirbelsäule in einer neutralen Position, leichtes „Luftpolster“ unter LWS.

Ausführung: Ein Bein wird (mit der Einatmung) kontrolliert nach außen geführt, soweit, wie Becken, LWS und das andere Bein ihre Position halten können und dann (mit der Ausatmung) wieder in die Ausgangsstellung zurück gebracht. Machen Sie dies mit beiden Beinen im Wechsel, mit fließendem Übergang.

  1. Knee Opening aus 90°/90°

Start: Rückenlage, Beine in 90°/90° gehoben,  LWS und Becken stabil.

Ausführung: Die Beine werden im Wechsel leicht nach außen bewegt (wie bei Übung Nr. 3), dabei werden weder der Winkel in den Knien, noch der in der Hüfte verändert.

  1. One Leg Bridging

Start: Rückenlage, ein Bein angewinkelt auf dem Boden, das andere in Richtung Decke gestreckt.

Ausführung: Atmen Sie zur Vorbereitung ein. Führen Sie die zur Decke gerichtete Ferse (mit der Ausatmung)  nach oben, bis das Becken eine Diagonale mit den Schultern und Ihren Knien bildet. Lassen Sie dann das Becken (mit der Einatmung) gleichmäßig und kontrolliert wieder absinken. Wiederholen Sie diese Übung und wechseln dann zur anderen Seite.

  1. Sidelying Leg Series

 

Start: In Seitlage, der untere Arm unterstützt den Kopf, der obere Arm stützt vor dem Körper am Boden

 

ODER als Steigerung in stützender Position auf dem unteren Ellenbogen mit angehobenem Brustkorb.


Ausführung:
das Bein wird gestreckt vor und zurück bzw. hoch und tief bewegt, der Oberkörper verändert seine Position nicht.

  1. Mermaid

Start: Z-Sitz mit beidseits fixierten Sitzbeinhöckern. Der Arm der Seite des vorderen Beines wird horizontal gehalten, der Arm der Seite des hinteren Beines stützt seitlich am Boden.

Ausführung: Der horizontal gehaltene Arm wird (mit der Einatmung) zur Decke gehoben, dann wird (mit der Ausatmung) der Oberkörper zur Seite geneigt, wobei der Sitzbeinhöcker der anderen Seite in den Boden geschoben wird. In dieser Position nochmal halten (und bewusst in die geöffnete Flanke einatmen), dann (mit der Ausatmung) wieder in die Ausgangsstellung zurückkehren.

Ob Yoga, Gerätetraining, Nordic Walking oder jede andere Sportart – wer seinen Beckenboden kennt und bewusst ansteuern kann, verschafft sich einen klaren Vorteil.
Fazit:

Der Beckenboden ist das Fundament unseres Körpers. Er ist das zentrale Stützelement des aufrecht gehenden Menschen, hält die Organe in ihrer natürlichen Stellung und dichtet das nach unten offene Becken ab. Da er eine Verbindung zur Bauch-, zur Rücken- und zur Hüftmuskulatur hat, ist er bei jeder Bewegung des Körpers aktiv. Es ist daher unerlässlich, ihn regelmäßig zu mobilisieren, zu stabilisieren und nicht zuletzt, ihn zu entspannen.

Ein wichtiger Hinweis noch zum Schluss:

Dieser Blogbeitrag ersetzt keine Interaktion bzw. Untersuchung durch einen Experten.
Bei Schwierigkeiten, das oben Genannte umzusetzen, wenden Sie sich gern an das Therapeuten-Team des RZAM!


Weitere Informationen finden Sie auch in unserem Blogbeitrag: Stabiler Beckenboden und auf unserer Homepage: Beckenbodentherapie im RZAM

Autor: Carina Mallwitz

Redaktion Rückhalt I Der Blog vom Rückenzentrum

3 Gedanken zu „Beckenboden aktiv – Wie Pilates dabei helfen kann“

  1. Mir war nicht bewusst, dass Übungen aus dem Pilates auch zur Rumpfstabilisation beitragen. Gerade bei häufigen Rückenschmerzen ist das sicherlich vorteilhaft. Ich hoffe, ich kann demnächst mit Pilates beginnen und bin ganz gespannt, wie mein Körper darauf reagiert.

  2. Ich möchte mehr für meinen Beckenboden tun. Besonders gern möchte ich das mit Pilates machen. Die Seated Hip Mobilisation kannte ich bisher gar nicht. Diese Übung werde ich integrieren.

  3. Danke für den Hinweis, dass sich so gut wie jede Sportart gut eignet, wenn man dem Beckenboden etwas Gutes tun will. Ich war schwanger und fühle mich in der Beckenregion nicht wohl. Ich denke, dass mir eine Physiotherapie für Beckenbodengymnastik weiterhelfen kann.

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