Häufig in der Physiotherapie gestellte Fragen

Wieso, weshalb, warum? Antworten auf viele Fragen zur Physiotherapie finden Sie in diesem Beitrag. Von A wie Ausdauer bis Z wie Zuhause üben.

A
Ausdauer:

Muss ich meine Ausdauer extra trainieren?
Ja, sie gehört zu den konditionellen Fähigkeiten und sollte gezielt trainiert werden. Wie genau, ist Ihnen selbst überlassen (Schwimmen, Joggen, Fahrradfahren, Nordic Walking, Inlineskaten etc.). Wichtig ist, dass die Atmung und die Herzfrequenz sich erhöhen: Faustregel: 180 – Lebensalter +/- zehn Schläge (1). Das entspricht dann einer Ausbelastung von 60 – 75 % ihrer maximalen Herzfrequenz. Z. B. für eine 40-jährige Frau: 180 – 40 = 140. Die Herzfrequenz im Ausdauertraining sollte sich also zwischen 130 und 150 bewegen.

Die nationalen Bewegungsempfehlungen sehen 150 Minuten moderate Bewegung bzw. 75 Minuten intensivere Bewegung pro Woche vor (2), lesen Sie hierzu auch unseren Blogbeitrag „Kostenloser Alleskönner – Eine Liebeserklärung an die Bewegung“.

B
Behandlungsdauer:

Laut den gesetzlichen Krankenkassen muss eine Therapieeinheit Krankengymnastik oder Manuelle Therapie zwischen 15 und 25 Minuten betragen (3). Die meisten Einrichtungen arbeiten im 20-Minuten-Takt, wobei diese Zeit sowohl ggf. das An- und Auskleiden der Patient*in als auch die Dokumentation der Therapie durch den Therapeuten beinhaltet. Dieser Nachweis ist gesetzlich übrigens auch im Bürgerlichen Gesetzbuch, § 630 f, vorgeschrieben (4). Das bedeutet also, dass die eigentliche Behandlungsdauer kürzer ist als der angesetzte Termin. Die „letzten drei Minuten Ihrer Zeit“ dienen somit Ihrer Therapeut*in zur Dokumentation und Therapieplanung und sind wichtig für eine qualitativ hochwertige Behandlung.

G
Gartenarbeit:

Zählt Gartenarbeit auch als Training?
Jein. Natürlich strengen Sie sich dabei an und sind darüber hinaus an der frischen Luft, verbrennen Kalorien und bauen Stress ab (5). Jedoch werden durch die eher einseitigen Bewegungen nicht alle wichtigen Muskelgruppen angesprochen und die Intensität ist in der Regel nicht hoch genug, um einen nennenswerten Muskelzuwachs zu erzielen. Dieser stellt sich erst bei einer Trainingsintensität von 60 bis 85 % ihrer Maximalkraft ein (6).

H
Haushalt:

Zählen Erledigungen im Haushalt auch als Training?
Jein, siehe auch Gartenarbeit.

Heilmittelkatalog:

Welche Therapien in welchem Umfang verordnet werden dürfen, ist für die gesetzlichen Krankenkassen im Heilmittelkatalog hinterlegt. Dieser basiert auf der Heilmittelrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses. Im Sozialgesetz, Buch Fünf, § 12, Absatz 1 steht: „Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten“ (7). Dementsprechend werden nur Leistungen übernommen, deren Wirksamkeit wissenschaftlich bereits hinreichend belegt werden konnte. Bei privat versicherten Menschen ist der Leistungsumfang unabhängig vom Heilmittelkatalog. Er ist stattdessen dem jeweils vertraglich vereinbarten Leistungsverzeichnis zu entnehmen.

M
Manuelle Therapie:

Manuelle Therapie (MT) ist ein Untersuchungs- und Behandlungskonzept, bei dem Gelenke und Weichteile wie Muskulatur untersucht und auf den Beitrag zum Gesundheitsproblem hin beurteilt werden. Ist das Ergebnis eine reduzierte Gelenkbeweglichkeit, können manuelle Griffe durch den Therapeuten und mobilisierende Bewegungen durch den Patienten selbst ausgeführt werden. Lautet das Ergebnis der Untersuchung hingegen normale oder vergrößerte Beweglichkeit, arbeitet der Therapeut eher stabilisierend mit Ihnen und zeigt Ihnen Übungen zur besseren muskulären Führung der Gelenke und Koordination von Bewegungsabläufen. Somit ist die MT also kein rein passives Behandlungsmodell und keineswegs zu verwechseln mit Massage. Es gibt auch Schulen innerhalb der MT, bei denen die aktive Mitarbeit des Patienten fest und grundsätzlich im Konzept verankert ist, z. B. bei Manueller Therapie nach dem McKenzie- oder nach dem Mulligan-Konzept.

Eine in diesem Zusammenhang häufig gestellte Frage: Darf man direkt nach der MT Übungen machen oder trainieren?
Ja, das dürfen Sie. Durch MT sollen Patient*innen in die Lage versetzt werden, zuvor schmerzhaft eingeschränkte Bewegungen wieder besser ausführen zu können. MT ist also immer ein Werkzeug und nie Selbstzweck.

Und was bringt Physiotherapie?
Hören Sie doch mal in diesen Podcast.
Ein Interview mit unserem Experten Dr. Michael Richter.

P
Prognose:

Wie lange wird es dauern, bis es mir besser geht?
Das ist maßgeblich davon abhängig, wie lange Ihr Gesundheitsproblem bereits besteht. Haben Sie z. B. schon seit Jahren oder Jahrzehnten Rückenschmerzen, wurden bereits ärztlich gründlich untersucht und haben schon viel passive Therapie in Anspruch genommen, ohne durchschlagenden Erfolg? Dann gibt es in der Regel keine schnellen Lösungen. Geben Sie sich z. B. bei anhaltenden oder immer wiederkehrenden Rückenschmerzen drei bis sechs Monate Zeit, in denen Sie konsequent und gemäß den Versorgungsempfehlungen trainieren, bevor Sie Bilanz ziehen – Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut.

S
Schmerzen:

Dürfen Übungen schmerzhaft sein?
Jein. Wenn Sie akute Schmerzen haben (seit wenigen Wochen) sollten Sie eher auf den Schmerz als Warnsignal des Körpers hören. Stellen Sie sich vor, Sie sind stark mit dem Fuß umgeknickt, der Fuß ist geschwollen, teilweise erwärmt und schmerzt – hier ist weniger mehr, lassen Sie die Wundheilung in Ruhe ablaufen. Gewebe heilen innerhalb von sechs bis zwölf Wochen, im Verlauf nimmt der Schmerz ab, die Funktionalität wieder zu. Nun dürfen Sie auch dosiert in den Schmerz hineingehen. Das Gewebe ist empfindlich geworden und muss wieder an Belastung gewöhnt werden. Als Faustregel gilt: Auf einer Schmerzskala von Null bis zehn (null: kein Schmerz, zehn: stärkster vorstellbarer Schmerz), sollten Sie einen Wert von 5 beim Üben nicht überschreiten. Außerdem sollten durch Training getriggerte Schmerzen nach 24 Stunden wieder abgeklungen oder auf den Ausgangswert zurückgegangen sein (8, 9). Sonst ist eine Überprüfung der Übungsdurchführung, -intensität und -häufigkeit angezeigt. Gegebenenfalls wird Ihr Therapeut Ihnen eine alternative Übung zeigen. Keine Angst, wenn Sie mal ein Aufflammen ihrer Schmerzen nach adäquatem Training erleben. Das ist ein bekanntes Phänomen und kann immer mal wieder auftreten, z. B. nach einer neuen, ungewohnten Übung oder nach Steigerung der Trainingsgewichte.

Exkurs: Schmerzen vs. Muskelkater 
Gerade für Menschen mit wenig Sporterfahrung ist diese Unterscheidung nicht trivial. Muskelkater erreicht seinen Höhepunkt i. d. R. nach 48-72 Stunden (10), bei intensiver Belastung auch schon früher. 
Fühlen Sie sich steif und unbeweglich und etwas wund von der Muskulatur her? Das könnte auch der herkömmliche, „gemeine“ Muskelkater sein. Der ist ganz normal und geht auch wieder weg.

T
Training:

Soll ich die Wiederholungen oder das Gewicht steigern? 
Wir empfehlen, das Trainingsgewicht zu steigern. Das heißt, wenn Sie z. B. bei sauberer Ausführung zwei Sätze à 20 Wiederholungen schaffen und sich nur mäßig angestrengt fühlen, sollten Sie mehr Gewicht nehmen anstatt einen dritten Satz mit demselben Gewicht auszuführen. Wir wollen die Muskulatur im Training systematisch und bis zum „Versagen“ ermüden, dadurch erhalten wir einen effektiven Trainingsreiz. Was heißt das? Idealerweise ist das Gewicht so gewählt, dass Sie die letzten paar vorgegebenen Wiederholungen nur noch mit Mühe in der gebotenen Qualität schaffen und Sie das Training als anstrengend empfinden (siehe auch Blogbeitrag „Krafttraining: Warum Sie damit unbedingt wieder beginnen sollten!“). Von höheren Trainingsintensitäten profitiert übrigens nicht nur Ihre Muskulatur, sondern auch Ihre Knochendichte (siehe auch Blogbeitrag „Wie Sie Ihre Knochendichte durch ein gezieltes Osteoporosetraining verbessern“).

V
Verbotene Bewegungen:

Gibt es Bewegungen, die verboten oder schädlich für den Rücken oder andere Gelenke sind?
Grundsätzlich ist das nicht der Fall. Sie dürfen alle Gelenke im natürlichen Bewegungsumfang bewegen und belasten, das bedeutet auch Bücken, Drehen, Strecken. Einschränkungen gibt es dann, wenn Sie frisch operiert sind. Um die Wundheilung ungestört ablaufen zu lassen und das OP-Ergebnis zu sichern, sind dann tatsächlich manche Bewegungen vorübergehend nicht zu empfehlen. Ein Beispiel wäre das Sitzen auf einer niedrigen Sitzgelegenheit nach Implantation eines künstlichen Hüftgelenkes. Nach einer gewissen Zeit, je nach OP, dürfen und sollten Sie Ihren Körper aber wieder normal im Alltag benutzen. Fragen Sie Ihre Therapeut*innen oder Ärzt*innen, wenn Sie sich unsicher sind.

Z
Zuhause üben:

Wozu muss ich Übungen in der Therapiezeit machen? Die kann ich doch auch zuhause durchführen.
Da haben Sie einerseits natürlich recht. Andererseits steckt der Teufel, wie so oft, auch hier im Detail. Ihre Therapeutin hilft Ihnen, die optimale Übungsdurchführung zu erlernen und das erfordert eben auch Wiederholung. Denn schnell schleichen sich Ungenauigkeiten ein, die dazu führen, dass eine eigentlich anspruchsvolle Übung nicht sauber ausgeführt wird (sprich: man schummelt). Dadurch kann sich der Übungseffekt verringern. Vertrauen Sie daher auf Ihren Therapeuten: Machen Sie eine Übung perfekt, dann dürfen Sie diese auch in Eigenregie zuhause fortsetzen – versprochen.


Literatur:

(1) AOK Gesundheitsmagazin. 4.5.2021. https://www.aok.de/pk/magazin/sport/workout/aerobes-training-so-klappt-das-perfekte-ausdauer-workout/ (Zugriff am 31.08.2022)

(2) Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung –Sonderheft 03. Nationale Empfehlungen für Bewegung und Bewegungsförderung. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Praevention/Broschueren/Bewegungsempfehlungen_BZgA-Fachheft_3.pdf (Zugriff am 17.03.2021)

(3) Die Techniker. Gibt es eine festgelegte Behandlungsdauer für die einzelnen Heilmittel?  https://www.tk.de/techniker/leistungen-und-mitgliedschaft/informationen-versicherte/leistungen/weitere-leistungen/reha-massnahmen-und-vorsorge-kuren/krankengymnastik-massagen-heilmittel/behandlungsdauer-krankengymnastik-massagen-heilmittel-2009076 (Zugriff am 31.08.2022)

(4) Bundesministerium der Justiz. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 630f Dokumentation der Behandlung https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__630f.html (Zugriff am 31.08.2022)

(5) DAK Gesundheit. Haus- und Gartenarbeit ist auch Sport. https://www.dak.de/dak/fitwoch/haus–und-gartenarbeit-ist-auch-sport-2452186.html#/ (Zugriff am 31.08.2022)

(6) Mayer F, Scharhag-Rosenberger F, Carlsohn A, Cassel M, Müller S, et al. 2011. The Intensity and Effects of Strength Training in the Elderly.  Dtsch Arztebl Int, 108, 21: 359-64 https://www.aerzteblatt.de/archiv/90696/Intensitaet-und-Effekte-von-Krafttraining-bei-Aelteren (Zugriff am 06.09.2022)

(7) Bundesministerium der Justiz. Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) § 12 Wirtschaftlichkeitsgebot https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__12.html (Zugriff am 06.09.2022)

(8) Ageberg E, Link A, Roos EM. 2010. Feasibility of neuromuscular training in patients with severe hip or knee OA: the individualized goal-based NEMEX-TJR training program. BMC Musculoskelet Disord. 17, 11:126 Link: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2896351/ (Zugriff am 20.09.2022)

(9) Baumbach L, Thorgaard S, Skou ER. 2019. Besser leben mit Osteoarthritis – GLA:D-Initiative „Good Life with osteoArthritis in Denmark”. Physiopraxis, 9: 27-31 https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/abstract/10.1055/a-0963-8653 (Zugriff am 27.09.2022)

(10) Hotfiel T, Freiwald J, Hoppe MW, Lutter C, Forst R, et al. 2018. Advances in Delayed-Onset Muscle Soreness (DOMS): Part I: Pathogenesis and Diagnostics. Sportverletz Sportschaden, 32, 4: 243-50 https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/a-0753-1884 (Zugriff am 13.09.2022)

Autor: Anna Palisi

Die Physiotherapeutin Anna Palisi verfügt über 11 Jahre Berufserfahrung und arbeitet seit 2017 im Rückenzentrum Am Michel. Aktuell lässt sie sich zur CRAFTA-Therapeutin (Cranio Facial Therapy Academy) ausbilden.

3 Gedanken zu „Häufig in der Physiotherapie gestellte Fragen“

  1. Ich hätte Gartenarbeit als stärkere Methode gesehen. Ich finde es toll, wenn Physiotherapiepraxen über die Gesundheit sprechen. Man kann viel davon lernen.

  2. Als ich mich für eine Karriere in der Physiotherapie entschied, war ich zunächst von der kurzen Behandlungsdauer überrascht. Aber ich lernte schnell, dass diese 20 Minuten intensiv genutzt werden und sowohl für die Behandlung als auch für die Dokumentation wichtig sind. In meiner Freizeit entdeckte ich auch, dass Gartenarbeit ein großartiges Training sein kann, obwohl es nicht alle Muskelgruppen anspricht, wie es eine gezielte Physiotherapie tun würde.

  3. Ich muss meine Ausdauer auch wieder trainieren. Ich merke, wie schnell ich schlapp werde. Es ist gut zu wissen, dass die Atmung und Herzfrequenz sich dabei beide erhöhen müssen und letzteres zwischen 130 und 150 liegen muss. Ich werde mir zur Unterstützung und Motivation einen Physiotherapeuten suchen.

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