Rückenschmerz, das ist doch was für Menschen ab 40 oder 50?!
In meine Praxis kommen jedoch zunehmend auch Kinder und Jugendliche mit zum Teil schon lange bestehenden Rückenschmerzen.
Ist das nur ein Gefühl, oder steigen die Zahlen wirklich?
In einer Befragung nach Rückenschmerzen in den letzten 3 Monaten ergaben sich folgende Häufigkeiten für Rückenschmerzen bei Kindern und Jugendlichen (1):
- 3-6 jährige Kinder: 3%
- 7-10 jährige Kinder: 7%
- 11-13 jährige Kinder: 18%
- 14-17 jährige Jugendliche: 44%
Während im frühen Kindesalter Bauch- und Kopfschmerzen besonders häufig sind, nehmen die Rückenschmerzen bei den Jugendlichen deutlich zu und erreichen fast das Niveau von Erwachsenen.
In einer Untersuchung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatten in Deutschland 24% der 11-17 jährigen Mädchen und 19% der Jungen in dieser Altersgruppe wöchentlich Rückenschmerzen (2). Ähnliche Zahlen finden sich auch in anderen europäischen Ländern mit steigender Tendenz (3, 4, 5).
Das heißt, Rückenschmerzen im Kindes- und Jugendalter sind ein zunehmendes Problem für die Betroffenen und für die Gesundheitspolitik.
Ähnlich wie bei den Erwachsenen ist bei der überwiegenden Zahl (über 90%) der Kinder und Jugendlichen kein eindeutiger Befund, das heißt kein relevanter Schaden an den Bandscheiben, der Wirbelsäule oder eine entzündliche Erkrankung, zu finden. Die Betonung liegt hier auf relevant, da degenerative Bandscheibenveränderungen schon bei 21% der 13-jährigen, 31% der 15-jährigen und 47% der 18-jährigen Kinder und Jugendlichen ohne Rückenschmerzen nachgewiesen wurden (6, 7).
Die Ursache der Rückenschmerzen bei Kindern und Jugendlichen liegen im Allgemeinen in:
- einer Mischung aus Funktionsstörungen des Bewegungssystems, das heißt in einer schlechten Koordination und muskulären Stabilisation von Haltung und Bewegung,
- einem allgemeinen Bewegungsmangel und
- einseitiger statischer Belastung, z.B. durch das Sitzen in der Schule, vor dem Smartphone oder PC.
- Hinzu kommen Stress, Ängste, Sorgen und hohe Anforderungen durch Schule und Freizeit.
In der Diagnostik ist es wichtig,
- die (wenn auch seltenen) spezifischen Schmerzursachen (z.B. eine rheumatische Erkrankung) auszuschließen und
- die individuelle Mischung der Ursachen für den Schmerz zu erkennen.
Hierfür reicht meist eine gute Befragung durch den Arzt und eine körperliche Untersuchung aus. Selten ist eine Blutuntersuchung erforderlich. Röntgen und MRT werden gerne und viel zu häufig durchgeführt. Oft liefern diese Untersuchungen aber nur irrelevante Zufallsbefunde die nicht helfen sondern für mehr Verunsicherung sorgen (8, 9, 10, 11). Nur wenn sich in der körperlichen Untersuchung Hinweise auf einen relevanten Befund an der Wirbelsäule ergeben, ist die Durchführung z.B. eines MRTs sinnvoll.
In der Therapie geht es in der Regel um
- den Abbau der körperlichen Defizite im Rahmen einer Physio- und Trainingstherapie,
- den Abbau von Ängsten/Sorgen und
- die Vermehrung von Wissen rund um das Bewegungssystem und dessen Schmerzen.
Patienten müssen sich vor allem mehr bewegen, einseitige, insbesondere statische Belastungen vermindern und wieder Vertrauen in ihren Rücken gewinnen.
Hinweis für alle Ärzte und Therapeuten (Psychotherapeuten, Physiotherapeuten, Sportwissenschaftler, Trainingstherapeuten):
Das Rückenzentrum Am Michel bietet eine regelmäßige interdisziplinäre Schmerzkonferenz an. Bitte informieren Sie sich über die jeweiligen Themen auf unserer Homepage oder rufen Sie uns gern an.
Anhang: Quellen