Wie untersuchen und erklären wir den Beinschmerzanteil?
Rückenschmerzen treten überwiegend im Bereich der Lendenwirbelsäule, also zwischen der untersten Rippe und dem Becken, auf.
Kommt es jedoch zu einer Schmerzfortleitung in die Gesäßregion und/ oder den Ober- oder Unterschenkel, beunruhigt dies die Patienten sehr. Schnell steht die Angst im Raum, es könne sich um einen Bandscheibenvorfall handeln.
Daher muss der Arzt sorgsam und umfänglich untersuchen, um eine Nervenschädigung möglichst auszuschließen.
Schmerzen im Bein können unterschiedliche Ursachen haben
Um zu einer differenzierten Behandlungsempfehlung zu kommen, müssen alle Möglichkeiten, die für die Schmerzfortleitung ins Bein sorgen könnten, genauestens betrachtet werden.
Das bedeutet eine Untersuchung der Spinalnerven, die Untersuchung der Muskulatur sowie die Untersuchung der Facettengelenke, die ebenfalls eine häufige Ursache für den Beinschmerz darstellen.
Weitere Erklärungsmöglichkeiten (Durchblutungsstörungen durch Engstellen in den Gefäßen oder Beinschmerzen im Rahmen einer Spinalkanalstenose) sind in einem gesonderten Beitrag nachzulesen.
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Untersuchung der Spinalnerven der Lendenwirbelsäule:
Die Überprüfung der Beinmuskulatur-Kraft erfolgt durch aktive Bewegungen und Widerstandstests, die Überprüfung der Sensibilität durch das Bestreichen der Haut und die Überprüfung der Reflexe mit dem Reflexhammer. Durch Kenntnis der Versorgungsgebiete der Nerven und der dazugehörigen Muskulatur können wir auf die Lokalisation einer möglichen Schädigung schließen oder auch eine nervale Schädigung ausschließen.
Jeder Spinalnerv, der die Wirbelsäule verlässt, hat:
- motorische Anteile für die Kraftentwicklung der zugeschalteten Kennmuskulatur
- einen sensiblen Anteil für die Empfindung in einem Hautareal,
- einen spezifischen Reflex.
So versorgt zum Beispiel der Spinalnerv L5 den Großzehenhebermuskel, der Spinalnerv L4 den vorderen oberen Unterschenkel sensibel, der Spinalnerv S1 den Achillessehnenreflex.
In einem zweiten Schritt überprüfen wir die Irritierbarkeit und die Provokation der Symptome im Bein durch Nervendehnungstests und Mobilitätstests der Spinalnerven.
Das folgende Foto zeigt den SLUMP-Test (slump, engl. zusammensacken) zur Überprüfung der Mobilität der unteren Spinalnerven der Lendenwirbelsäule.
Sollten all diese Tests keine Defizite und keine Schmerzreproduktion aufweisen, kann der Patient beruhigt sein, weil keine relevante nervale Schädigung vorliegt.
Kann mittels Test die Beinschmerzkomponente regelhaft reproduziert werden, so ist zwar klar, dass ein Element des Nervensystems den Schmerz meldet, aber noch nicht exakt, wo das Problem lokalisiert ist und wie es sich erklärt.
Auch wenn es bei Rücken- und Beinschmerz nahe liegt, an einen Bandscheibenvorfall zu denken, gibt es viele andere mögliche Erklärungen, wie beispielsweise eine eigenständige Erkrankung der Nerven.
(Lesen Sie dazu unseren zeitgleich erschienenen Blogbeitrag: Neuropathischer Schmerz.)
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Untersuchung der Muskulatur:
Der Gesäß- oder Oberschenkelschmerz kann aber auch durch Veränderungen in der Muskulatur, der Bänder und der Gelenke im Bereich der Lendenwirbelsäule und des Beckens erklärt werden.
So verursachen muskuläre Verhärtungszonen und Triggerpunkte, z. B. im Bereich der Gesäßmuskulatur, hin und wieder eine Schmerzfortleitung in die Beine, die sehr an die Versorgungszone der Spinalnerven erinnert. Der Musculus glutaeus medius und der Musculus glutaeus minimus tief im Gesäß erzeugen jeweils eine Schmerzfortleitung in den Ober- und Unterschenkel bis zum Außenknöchel, vergleichbar mit dem Versorgungsgebiet des Spinalnerven L5 oder S1. Allerdings geht diese Fortleitung nicht mit einer Minderung der Sensibilität oder einer Lähmung der Fußmuskulatur einher.
Manchmal gelingt es uns auch im Rahmen der Untersuchung, eine Schmerzfortleitung zu reproduzieren. Dann ist eindeutig klar, dass es der Daumendruck des Untersuchers ist, der die Provokation dieser Muskelgruppe und damit den Schmerz ausgelöst hat. Somit liegt kein nervales, sondern ein muskuläres Problem vor .
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Untersuchung der Facettengelenke:
Der Gesäß- oder Oberschenkelschmerz kann darüber hinaus auch durch Veränderungen an den kleinen Wirbelgelenken der Lendenwirbelsäule entstehen. Auch in diesem Fall mutet die Fortleitung in die Beine wie ein Nervenschmerz an, er entsteht jedoch z. B. durch die Arthrose der Facettengelenke. (Facettensyndrom)
In der manuellen Untersuchung überprüfen wir das Gelenkspiel und die Provokationsmöglichkeit der Beinschmerzen durch das Komprimieren der Gelenke.
Die Prüfung der Bewegungsfähigkeit ist in dem folgenden Foto dargestellt.
Wollen wir diesen Zusammenhang beweisen, so können wir durch das Abschalten der Facettengelenke im Rahmen einer Infiltration mit örtlichem Betäubungsmittel, ein zeitlich begrenztes Verschwinden der Beinschmerzen erzielen. Die Infiltration erfolgt gezielt unter Röntgendurchleuchtung mit einem kurzwirksamen örtlichen Betäubungsmittel. Direkt im Anschluss an das Verfahren kann der Patient die Effekte der Betäubung der Gelenke beschreiben.
In der Skizze entspricht das der Lage der Nadel 3. Wir gehen bei diesem Manöver nicht in den Spinalkanal (Nadel 2) und auch nicht an die großen Spinalnerven, wie z. B. bei einer PRT (Nadel 1 oder 4).
Fazit:
Die dargestellten Untersuchungsverfahren sind ein elementarer Bestandteil der Untersuchung eines Patienten mit Lendenwirbelsäulenbeschwerden mit einer Schmerzfortleitung in die Beine. Sie werden je nach Untersuchungsergebnis ergänzt oder verfeinert und sollen insbesondere über mögliche Ursachen des Beinschmerzanteils an der Gesamtbeschwerdesymptomatik Auskunft geben.
Eine sorgfältige und umfassende Untersuchung ist die Voraussetzung für eine zutreffende, professionelle Diagnose, an die sich dann eine geeignete und wirksame Therapie anschließt.
Im Rückenzentrum Am Michel nehmen wir uns für diese Form der Untersuchung und Diagnosefindung für jeden Patienten ausreichend Zeit.