Faszien – Ein faszinierendes Netzwerk voller Energie.

von Niklas Hennecke

Das Fasziensystem hat erst in den letzten Jahren deutlich an Bekanntheit gewonnen. In der Vergangenheit hat sich die Orthopädie vorwiegend mit Muskeln, Knochen und Gelenken beschäftigt – die Rolle der Faszie blieb weitestgehend unbeachtet.

Die Erklärung hierfür ist schnell gefunden. Während Muskeln und Knochen auf den ersten Blick ins Auge fallen, präsentiert sich die Faszie deutlich unscheinbarer und schwerer greifbar. Letztendlich handelt es sich um ein spinnennetzartiges System aus feinen, zähen, bindegewebigen Häuten.

Jeder, der in der Küche regelmäßig Fleisch zubereitet, kennt wahrscheinlich genau diese weißlich-schimmernden Faserschichten, die das eigentliche Stück Fleisch umgeben.

Diese Häutchen umhüllen aber nicht nur die Muskulatur (also das Stück Fleisch in der Küche), sondern auch alle Organe, Blutgefäße und Nerven. Die Faszie bildet also ein überall im Körper vorkommendes Netzwerk, das alle Strukturen umgibt und damit auch untereinander verbindet.

Die aktuelle medizinische Forschung zeigt immer häufiger, dass dieses Fasziennetz auch bei dem Thema Rückenschmerz von größerer Bedeutung ist als früher angenommen wurde.

Diese Zusammenhänge möchte ich anhand von drei Punkten erklären.

3 Gründe, warum ein gesunder Rücken und funktionsfähige Faszien zusammengehören

1. Faszie – ein ungeahnter Gewichtheber

Klassischerweise verbindet man die Krafterzeugung im menschlichen Körper vor allem mit der Muskulatur. Beim Vorneigen werden allerdings auch die Faszien (in diesem Fall insbesondere die Lendenfaszie) wie ein elastisches Gummiband vorgespannt. Diese, in der Faszie gespeicherte Energie, entlädt sich dann beim Wiederaufrichten und unterstützt somit die Muskelarbeit effizient. Forscher haben sogar gezeigt, dass die Aktivität der Rückenmuskulatur bei endgradigem Bücken fast erlischt – die Faszien übernehmen hierbei in dieser Position den Großteil der Arbeit.

IMGP0240Die elastische Rückstellkraft der Faszien ist also bei allen Bewegungen (z.B. Anheben einer schweren Kiste) von erheblicher Bedeutung. Ein gesundes und trainiertes Fasziensystem kann somit andere Strukturen wie Muskulatur, Gelenke oder Bandscheiben effektiv unterstützen und somit entlasten.

Das erklärt auch die Problematik des vermeintlich “rückenschonenden” Bewegens im traditionellen Verständnis. Ein bewusst gerade gehaltener Rücken erzeugt keine Vorspannung in der Faszie, somit kann hier auch keine zusätzliche Kraft erzeugt werden. In der Folge werden Muskulatur und Gelenke sogar überlastet, die eigentlich gut gemeinte Vermeidung des krummen Rückens erweist sich in diesem Fall also sogar als kontraproduktiv!

2. Faszie – ganzheitliches Denken für einen gesunden Rücken

Wie oben beschrieben sind alle Strukturen im Körper von Faszien umhüllt und somit auch miteinander verbunden. Innerhalb dieses Netzwerkes werden Kräfte und Spannungen zwischen den Körperteilen übertragen. In menschlichen Präparaten konnten bestimmte fasziale Verbindungen von der Fußsohle bis zum Kopf nachgewiesen werden. Diese Verbindungen sind auch von großer medizinischer Relevanz. Fehlt dem Fasziensystem in einem Bereich Beweglichkeit, so kann sich dadurch interessanter Weise die Spannung in anderen Abschnitten erhöhen. Daher ist es durchaus sinnvoll sich im Falle eines Stillstandes im Therapieverlauf, auch einmal weiter entfernt liegende Strukturen genauer anzuschauen.

Zum Beispiel könnte eine Störung der Beinfaszie bei einer hartnäckigen Bewegungseinschränkung des Rückens beteiligt sein. Genauso kann eine therapieresistente Fehlhaltung des Kopfes durch eine gestörte Faszienfunktion im Oberarmbereich negativ beeinflusst werden.

In diesem Sinne ist es dann natürlich auch möglich, dass sich Hüft- oder Schulterbeschwerden durch eine Rückenbehandlung verbessern lassen. Generell sollten die Faszienverbindungen in jedem Körperabschnitt in optimaler Verfassung sein, um eine harmonische Kraftübertragung zu gewährleisten. Ein angestrebter Zustand, der in einigen Fällen erst durch geeignete Therapiemaßnahmen wieder hergestellt werden muss.

3. Faszie – ein extrem feinfühliges Sinnesorgan

Faszien sind außerordentlich stark von Nerven durchzogen. Durch die vielen freien Nervenenden (Schmerzrezeptoren) in diesem Gewebe ist daher die Lendenfaszie ein prädestinierter Schmerzerzeuger bei Rückenschmerzen. Forscher haben zum Beispiel gezeigt, dass eine Reizung der Lendenfaszie eine deutlich stärkere und länger anhaltende Schmerzantwort erzeugt als die entsprechende Reizung der Rückenmuskulatur.

So kann eine durch Schonung geschwächte Lendenfaszie beim Heben schwerer Gegenstände verletzt werden und akute Rückenschmerzen verursachen. Der Einfluss der Faszie auf die Beschwerden ist oftmals wichtiger als zum Beispiel die Rolle der Bandscheiben – und da die Faszien sehr gut auf Bewegung und “Manuelle Therapie” ansprechen ist das eine gute Nachricht!

Allerdings sollte man in diesem Zusammenhang auch nie vergessen, dass die Schmerzentstehung ein äußerst komplexer Vorgang ist und noch von vielen weiteren Faktoren beeinflusst wird (siehe auch Blogbeitrag Schmerz).

Was kann ich für meine Faszien tun?

Generell ist jede Art der Bewegung für sich allein schon eine Faszientherapie und daher absolut zu begrüßen. Optimalerweise sollten darüber hinaus 1-2 mal pro Woche spezifischere Übungen für die Faszien durchgeführt werden.

In unserer Kategorie Übungen stellen wir Ihnen eine Auswahl spezieller Übungen für die Faszien vor.
Diese machen Spaß, sind effektiv und leicht durchführbar.
Für die Einsteiger-Übung, die Massage der Plantarfaszie,
IMGP0158benötigen Sie nur einen Tennisball, auf den Sie Ihr Gewicht verlagern und den Sie sehr langsam von den Zehen in Richtung Ferse rollen. Probieren Sie es gleich mal aus und Sie werden sofort eine wohltuende Veränderung feststellen.

Bereits bestehende Einschränkungen der Faszienbeweglichkeit können zusätzlich durch spezielle manuelle Handgriffe gelöst werden.

 

3 Gedanken zu „Faszien – Ein faszinierendes Netzwerk voller Energie.“

  1. Hallo Niklas Hennecke,
    ein ganz toller Bericht und Übungen. Eine Frage bleibt mir offen. Ich bin Pilatestrainer und nutze Pilatesrollen um Bindegewebe zu massieren. Es gibt Teilnehmer, die es vermeiden im unteren Rücken zu rollen, da sie ängstlich sind innere Organe falsch zu berühren.

    Danke für Ihr Feedback
    Karina Fischer

    1. Guten Tag Frau Fischer,

      natürlich beeinflusst man bei diesen Übungen immer zahlreiche Strukturen des menschlichen Körpers. Betrachtet man die Organe als eine dieser Strukturen, so sind in diesem Fall anatomisch die Nieren von größter Relevanz. Allerdings ist der Druck der Rolle verhältnismäßig flächig und es befinden sich immer mehrere feste Gewebeschichten zwischen der Rolle und den Organen. Aus diesem Grund besteht bei kontrolliertem Tempo und moderater Intensität eigentlich kein Grund zur Sorge.
      Darüber hinaus kann man die Übungen durchaus auch einmal aus einer anderen Perspektive betrachten – ein positiver Effekt auf die Faszien wirkt sich wahrscheinlich ebenso positiv auf die in die Faszie eingebetteten Organe aus.
      Und letztlich gibt der Körper selbst in der Regel sowieso das beste Feedback. Wenn es bei den Trainierenden nach den Übungen jedes Mal wieder zu anhaltenden Verschlechterungen kommt, so sollte man Indikation und Ausführung selbstverständlich noch einmal kritisch überprüfen.

      Was derzeit allerdings in Praxis und Wissenschaft tatsächlich kontrovers diskutiert wird, ist der Einfluss der Faszienrollen auf das Lymphsystem.
      Ich denke, in dieser Fragestellung wird es in nächster Zeit zu vielen weiteren Erkenntnissen kommen.

      Ich hoffe, ich konnte Ihnen damit zumindest ein kleines Stück weiterhelfen.

      Mit freundlichen Grüßen, Niklas Hennecke

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